Gesund mit Felix (7): Gesund sitzen – wie dein Körper auch im Alltag entspannt bleiben kann
Die Gesundheitskolumne von Osteopath Felix Kammerlander (Folge 7)
Wir alle sitzen. Beim Arbeiten, Autofahren, Essen, Lesen oder Fernsehen – der Großteil unseres Alltags spielt sich im Sitzen ab. Und obwohl es bequem wirkt, spürt fast jeder irgendwann die Folgen: verspannte Schultern, müder Rücken, ein steifer Nacken. „Richtig sitzen“ klingt simpel, ist aber in Wahrheit ein aktiver Prozess. Denn gesundes Sitzen bedeutet nicht, starr in einer perfekten Haltung zu verharren, sondern Bewegung in den Alltag zu bringen – auch im Sitzen.
Unser Körper ist für Bewegung gemacht. Muskeln, Gelenke und Bandscheiben leben davon, regelmäßig aktiviert zu werden. Wenn du stundenlang sitzt, passiert das Gegenteil:
- Die Durchblutung verlangsamt sich, Nährstoffe gelangen schlechter in die Muskulatur.
- Die Hüftbeuger verkrampfen sich, weil sie dauerhaft in einer gebeugten Position bleiben.
- Die Wirbelsäule verliert Dynamik, die kleinen Zwischenwirbelgelenke werden kaum bewegt.
- Und nicht zuletzt: Das Nervensystem bleibt in einem „Halbaktiv-Modus“, in dem sich Spannung aufbaut, aber kaum wieder abbaut.
Kurz gesagt: Langes Sitzen ist keine Ruhe für den Körper, sondern eine einseitige Belastung.
Die Illusion der „perfekten Sitzhaltung“
Viele suchen nach der einen richtigen Haltung – Rücken gerade, Füße am Boden, Schultern unten, Kinn leicht eingezogen. Doch kein Körper kann diese Position stundenlang halten, ohne wieder zu verspannen. Selbst die „perfekte“ Haltung wird nach einer Weile zur Fehlhaltung, wenn sie unbewegt bleibt.
Gesundes Sitzen heißt deshalb: Wechsel statt Stillstand.
Beweg dich auch beim Sitzen – kleine Gewichtsverlagerungen, das Anlehnen, Aufrichten, Beine überschlagen, aber nicht nur bei der Lieblingsseite. Jede Veränderung bringt Durchblutung, Ausgleich und entlastet Strukturen.
Dynamisches Sitzen – so funktioniert’s
„Dynamisches Sitzen“ beschreibt ein Sitzen in Bewegung. Das bedeutet:
- Positionen wechseln: Lehn dich mal nach vorne, mal zurück.
- Sitzhöhe variieren: Wenn möglich, nutze höhenverstellbare Stühle oder Tische.
- Kurz aufstehen: Alle 20–30 Minuten ein paar Schritte reichen, um Muskeln zu aktivieren und den Kreislauf anzuregen.
- Bewegte Sitzmöbel: Sitzbälle, Hocker oder Stühle mit leichtem Wippen können helfen, Mikro-Bewegungen einzubauen.
Es geht nicht darum, ständig unruhig zu zappeln, sondern darum, den Körper lebendig zu halten – auch im Sitzen.
Kleine Alltagstipps für gesünderes Sitzen
1. Der Stuhl ist nur ein Werkzeug
Ein ergonomischer Stuhl kann unterstützen, aber er ersetzt keine Bewegung. Selbst der beste Bürostuhl hilft wenig, wenn du acht Stunden in der gleichen Haltung verharrst. Nutze ihn als Basis, nicht als Lösung.
2. Füße fest am Boden
Eine stabile Basis entspannt den Oberkörper. Achte darauf, dass deine Füße meistens nicht in der Luft hängen, sondern die Knie etwa im 90-Grad-Winkel stehen.
3. Becken aktiv halten
Kippe dein Becken zwischendurch leicht vor und zurück – wie ein sanftes „Schaukeln“. Dadurch bleibt die Lendenwirbelsäule beweglich und die Rückenmuskulatur wird aus ihrer Starre geholt.
4. Schultern loslassen
Viele ziehen beim Arbeiten unbewusst die Schultern hoch. Nimm dir regelmäßig einen Moment, sie bewusst fallen zu lassen, den Nacken zu lockern und tief durchzuatmen.
5. Augen und Kopf entlasten
Beim Bildschirmarbeiten wandert der Kopf oft nach vorne. Versuch regelmäßig, den Blick vom Monitor zu lösen und in die Ferne zu schauen. Das entspannt sowohl die Augen als auch die Nackenmuskulatur.
Bewegungspausen – die beste „Sitzhaltung“ ist Stehen
Kleine Pausen wirken Wunder:
- Einmal aufstehen und strecken – bringt sofort Durchblutung und Ausgleich.
- Zwei Minuten Schulterkreisen oder sanftes Drehen im Oberkörper – mobilisiert die Wirbelsäule und Muskeln.
- Beim Telefonieren aufstehen – einfache Routine, großer Effekt.
Schon diese Mini-Bewegungen verhindern, dass sich Spannungen über den Tag anstauen.
Wärme, Atmung und Achtsamkeit
Auch das Nervensystem spielt beim Sitzen eine Rolle. Dauerhafte Konzentration und Stress führen zu erhöhter Muskelspannung.
Wenn du regelmäßig kurz innehältst, tief atmest oder Wärme auf verspannte Bereiche bringst, hilfst du deinem Körper, wieder in den Entspannungsmodus zu schalten.
Ein kurzer Moment Bewusstsein – etwa zu spüren, wie du gerade sitzt – kann ausreichen, um kleine Haltungsfehler selbst zu korrigieren. Ganz natürlich und intuitiv.
Gesund sitzen heißt: in Bewegung bleiben
Der vielleicht wichtigste Punkt: Sitzen ist nicht grundsätzlich ungesund – Bewegungslosigkeit ist es.
Wenn du lernst, dein Sitzen dynamisch zu gestalten, immer wieder kleine Pausen einzubauen und deinem Körper die Freiheit zu geben, Positionen zu wechseln, kann auch ein sitzintensiver Alltag körperlich ausgeglichen sein.
Gesundes Sitzen bedeutet, deinen Körper lebendig zu halten. Jede kleine Bewegung, jedes Aufstehen, jedes bewusste Durchatmen hilft, die natürliche Balance von Spannung und Entspannung zu erhalten.
Mach dir klar: Dein Körper braucht keine Perfektion, sondern Abwechslung.
© Felix Kammerlander / Praxis Angewandte Osteopathie
Der Autor

Felix Kammerlander hat Osteopathie studiert und betreibt seit acht Jahren die Praxis Angewandte Osteopathie in Marxheim. Ab sofort erscheint hier regelmäßig seine Kolumne „Gesund mit Felix” mit Gesundheitsinformationen und präventiven Tipps - eine verlässliche Anlaufstelle für Ratschläge zur Vorbeugung, Schmerzbewältigung und für einen ausbalancierten Körper. Viel Freude beim Lesen und Ausprobieren neuer Wege zu mehr Wohlbefinden!

