Glossiert: Wenn der Bürgermeister viral geht – und die CDU nach Antworten sucht

Glossiert: Wenn der Bürgermeister viral geht – und die CDU nach Antworten sucht

Wir haben ja sonst keine Sorgen! Wahlkampf scheint schon begonnen – und Hofheims einst stolze Minderheitskoalition, die sich jahrelang leidlich gut vertragen hat, bekabbelt sich wegen Nichtigkeiten. Man könnte fast meinen, man beobachte eine Wohngemeinschaft beim Streit um die Fernbedienung. Längst nimmt das Polit-Schauspiel skurrile Züge an.

Die FDP möchte Straßen zu Alleen umbenennen. Die FWG kramt einen bald zehn Jahre alten Blitzer-Antrag aus ihren Schubladen. Und nun tritt auch die CDU auf den Plan, mit einer Frage, die man sich besser erst nach dem zweiten Bier stellen sollte:

Warum hat der neue Bürgermeister eigentlich so viel Erfolg mit seinen Internetvideos?

Diese Frage, und das ist kein Scherz, soll nun der Magistrat beantworten.

Der bisherige CDU-Bürgermeister hatte jahrelang mit Internet-Filmchen („Freitags-Videos“), Social-Media-Posts und Pressemeldungen vor sich hin geglänzt. Abrufzahlen: solide 3.500 bis 4.000 – ein digitaler Applaus, der zuverlässig kam, aber nie so laut war, dass man die Nachbarn hätte vorwarnen müssen.

Dann der Wechsel im Rathaus – und der neue Bürgermeister Wilhelm Schultze von der BfH drückte offenbar den „Boost“-Knopf, von dem die CDU nie wusste, dass es ihn gibt. Plötzlich schießen die städtischen Videos in die Zehntausender. Für eine Stadt, in der sonst allenfalls die verspätete S-Bahn für Aufregung sorgt, ist das ganz schön viel. Selbst eingefleischte Social-Media-Verächter müssen anerkennen: Das ist beeindruckend.

CDU Antrag Internetvideos
Der CDU-Antrag. Zum PDF aufs Bild klicken.

Und die CDU? Die, die lange Meister*in der Selbstinszenierung war? Sie starrt nun fassungslos auf die neuen Reichweiten und reicht die Anfrage STV2025/211 ein: Wie kann das sein? „Nur mit einer möglichen Verbesserung der Videoqualität“, heißt es in dem Schreiben, seien solche Zahlen ja wohl kaum zu erklären. Man hört förmlich das beleidigte Unterton-Vibrato.

Zur Einordnung: Politische Werbung auf Instagram muss seit Oktober 2025 gekennzeichnet werden. Der Konzern Meta hält die Regel für nicht umsetzbar – und sperrt politische Anzeigen gleich ganz. Der Medienstaatsvertrag wiederum, der die Regeln für Rundfunk und Online-Medien festlegt, sagt: Städtische Informationen, neutral und sachlich, sind keine politische Werbung.

Auf diesem schmalen Grat balanciert nun Hofheims CDU und fragt sich: Sind die Videos des Bürgermeisters wirklich unpolitisch – oder steckt hinter den stolzen Klickzahlen nicht doch ein gut versteckter digitaler Geheimtrick?

Fakt ist: Reichweite lässt sich nicht einfach bestellen wie ein Schoppen am Weinstand. Man braucht Geschichten, Stil – und vielleicht jemanden, der vor der Kamera nicht wirkt, als wolle er gleich die Tagesordnung verlesen.

So lernt die CDU gerade, was Influencer schon immer wussten: Man kann sich noch so gut ausleuchten – wenn der Inhalt nicht zieht, bleibt das Publikum im Dunkeln.

Und manchmal ist die bitterste Erkenntnis im Rathausalltag nicht politischer Natur, sondern die:

Der Algorithmus hat einfach einen neuen Liebling.


Das Bild oben zeigt einen Screenshot der Instagram-Seite der Stadt Hofheim. Dort war früher der CDU-Bürgermeister zu sehen, heute zeigt sich dort BfH-Bürgermeister Wilhelm Schultze.


Quelle: HN/TR

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