Schock im Rathaus: Jetzt fehlen schon 50 Millionen Euro in der Stadtkasse
Vor zwei Jahren versprach Hofheims damaliger Bürgermeister, dass die Stadt im Jahr 2025 ein Plus von einer Million Euro in der Kasse haben werde. Daraus wurde nichts – im Gegenteil: Aktuell spitzt sich die finanzielle Lage dramatisch zu. Neue Unterlagen aus dem Rathaus zeigen: Die kurzfristigen Kredite müssen auf 50 Millionen Euro verdoppelt werden – und zwar schnellstens. Ohne rasche politische Entscheidungen droht der Kreisstadt die Zahlungsunfähigkeit.
Erst vor wenigen Tagen berichteten die Hofheim-News über ein massives Defizit im aktuellen Haushalt der Stadt. Dem Rathaus standen Anfang dieses Jahres kurzfristige Kredite von „nur“ 15 Millionen Euro zur Verfügung. Der Betrag musste bereits im Sommer um zehn Millionen Euro aufgestockt werden: Der Zugriff auf 25 Millionen Euro sollte zur „Behebung der punktuell angespannten Finanzlage“ dienen, wie der damalige CDU-Bürgermeister den Stadtverordneten mitteilte.
Punktuell angespannte Finanzlage? Von wegen! Inzwischen hat sich die Situation noch einmal deutlich verschlimmert, am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss sollen den Stadtverordneten alle Details präsentiert werden.
Der bisherige Kreditrahmen reicht offenbar nicht mehr aus. Das Defizit könnte bis Jahresende auf rund 39 Millionen Euro steigen. Um die Verwaltung über den Jahreswechsel hinaus arbeitsfähig zu halten, empfiehlt der Magistrat jetzt: Der Kreditrahmen soll verdoppelt werden – auf 50 Millionen Euro.
Die Zustimmung der Stadtverordneten ist erforderlich. Erste Diskussionen finden an diesem Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss statt (ab 18 Uhr in der Stadthalle). Die endgültige Entscheidung fällt eine Woche später, am Mittwoch, 10. Dezember, im Stadtparlament.
Die Verwaltung benötigt das Geld schnellstens, sonst können weder offene Rechnungen beglichen noch Mitarbeiter bezahlt werden. Vorliegende Unterlagen verdeutlichen die Dringlichkeit: Demnach sind „die Zahlungen für die Beschäftigten (Monat Dezember), die Beamten und für die Versorgungsempfänger (Monate Dezember und Januar) ebenso fällig wie auch die Kreis- und Schulumlage für zwei Monate.“ In dem Magistratsschreiben (Aktenzeichen STV2025/203) heißt es weiter, dass auch noch Verbindlichkeiten „zu Gunsten der Kita-Träger für das IV. Quartal“ bezahlt werden müssten. „Hinzu kommen noch Rückzahlungen aus Gewerbesteuerveranlagungen.“
Kurzfristige Kassenkredite sind eine Art Rettungsanker: Sie sollen eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässen dienen – wenn beispielsweise Steuereinnahmen noch nicht geflossen sind. Für das Alltagsgeschäft, also die laufenden Ausgaben, sollte eine Kommune ihre laufenden Einnahmen aus Steuern, Gebühren und Zuweisungen verwenden.
Hofheim hat zu wenig eingenommen. Und zu viel ausgegeben. Jetzt der Griff zu den teuren Kassenkrediten. Wie konnte es dazu nur kommen?
Ende 2023 hatte der damalige CDU-Bürgermeister einen Doppelhaushalt für 2024/25 vorgelegt – mit selbstbewussten Worten zur Finanzkraft der Kreisstadt. „Geld ist da“ titelte die Lokalzeitung. Und schrieb: „900.000 Euro beträgt das Defizit des Haushaltsplans 2024, den die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen fast aller Fraktionen beschloss – nur die Linken stimmten dagegen. Für 2025 rechnet der Magistrat mit einem Plus von einer Million.“
Das Millionen-Plus entpuppte sich als Wunschdenken: Bereits Anfang dieses Jahres klaffte ein Loch von rund 2,1 Millionen Euro in der Stadtkasse. Den Stadtverordneten lagen diese Informationen allerdings nicht in voller Klarheit vor – aus Gründen: Im März fanden Bürgermeisterwahlen statt. Das Eingeständnis, dass Hofheim in finanziellen Nöten steckt, war dem CDU-Amtsinhaber wohl zu heikel. Er wollte schließlich wiedergewählt werden…
Er verlor die Wahl trotzdem, blieb dann aber noch ein halbes Jahr lang im Amt. Auch in dieser Zeit war von einer dramatischen Schieflage der Stadtkasse kaum die Rede.
Erst mit dem Amtsantritt von Wilhelm Schultze wird nun nach und nach das volle Ausmaß der Misere deutlich. Laut aktueller Mitteilung des Magistrats reichten in diesem Jahr die Einnahmen aus Steuern, Zuschüsse und Gebührenzu keinem Zeitpunkt aus, um das städtische Konto ins Plus zu bringen.
Warum die Situation erst jetzt öffentlich wird und weshalb die Finanzexperten im Rathaus nicht viel früher Alarm geschlagen haben, bleibt unklar. Dabei lässt eine Aufstellung des Magistrat vermuten, dass sich die finanzielle Schieflage langfristig abgezeichnet haben muss:
- rund 1 Mio. Euro weniger Einkommensteueranteile
- 570.000 Euro weniger Grundsteuer
- 3,5 Mio. Euro weniger Gewerbesteuern
- 6,3 Mio. Euro weniger Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich
- diverse Mehrausgaben, darunter 3 Mio. Euro zusätzliche Sach- und Dienstleistungen, 3 Mio. Euro höhere Kreis- und Schulumlage, 500.000 Euro zusätzliche Zinslasten.
Hinzu kommt: Von geplanten Investitionszuweisungen über zwei Millionen Euro wurden bislang nur 250.000 Euro realisiert. Auch Zuschüsse und Erschließungsbeiträge fielen deutlich niedriger aus als erwartet.
Um eine Zahlungsunfähigkeit der Stadt zu verhindern, will Bürgermeister Schultze den Stadtverordneten jetzt eine „2. Nachtragssatzung“ vorlegen. Der zentrale Passus darin lautet: „Der Höchstbetrag der Liquiditätskredite, die zur rechtzeitigen Leistung von Auszahlungen in Anspruch genommen werden dürfen, wird gegenüber dem bisherigen Höchstbetrag von 25 Millionen Euro um 25 Millionen Euro erhöht und damit auf 50 Millionen Euro neu festgesetzt.“
Ende 2023 wurde ein Plus von einer Million Euro prognostiziert – und nun stehen 50 Millionen Euro neue Schulden im Raum. Schlimmer noch: Niemand kann derzeit sagen, wie es weitergehen soll.
Am 10. Dezember sollen die Stadtverordneten über das neue Kreditpaket entscheidet. Mitte dieses Monats, am 17. Dezember, will Bürgermeister Schultze dann den Haushalt 2026 einbringen. Die Stadtverordneten sollen während der Feiertage darüber beraten, am Ende müssen sie Entscheidungen treffen.
Es wird ein hartes Ringen um finanzielle Prioritäten geben: Was kann sich die Stadt noch leisten, und wo müssen die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse gebeten werden?
Vor dem Hintergrund der Kommunalwahlen am 15. März stellt sich die spannende Frage: Welche Versprechen können die Parteien angesichts dieser Lage überhaupt noch machen?
Wenn eine Stadt zahlungsunfähig wird
Der Staat lässt keine Kommune „untergehen“, eine Insolvenz wie bei Unternehmen ist ausgeschlossen. Kann eine Stadt jedoch Rechnungen, Gehälter oder Umlagen nicht mehr zahlen, greift die Kommunalaufsicht ein. Sie verhängt strikte Auflagen und zwingt zu Einsparungen. Freiwillige Leistungen wie Kulturförderung, Vereinszuschüsse oder Mittel für Bücherei und Museum werden geprüft oder gestrichen. Nur gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben dürfen finanziert werden. Steuern und Gebühren – z. B. Grundsteuer, Gewerbesteuer, Abfall- oder Kita-Gebühren – steigen. Neue Projekte sind kaum möglich, Bauvorhaben und Sanierungen werden verschoben, der Investitionsstau wächst.
Die schlimmste Konsequenz aber ist: Die Stadt verliert ihre Entscheidungsfreiheit. Kommunalverfassungsrechtlich spricht man davon, dass die Kommune „unter strenger Aufsicht“ steht.

