Diedenbergener Sonnenhang: Der 2025er wird ein sehr guter Wein!
Ein diesiger Morgen im Herbst 2025: Die Stadt Hofheim hat zur Weinlese an den Diedenbergener Sonnenhang eingeladen. Zwischen den Reihen der Rebstöcke herrscht schnell geschäftiges Treiben. Freiwillige Helferinnen und Helfer bücken sich mit Scheren in der Hand, um die reifen Trauben zu ernten. Begrüßt wurden sie von Jana Seidemann, die gemeinsam mit ihrer Familie seit den 1990er-Jahren den Weinberg bewirtschaftet. Mit Geduld und Erfahrung steht sie den „nicht-professionellen“ Lesehelfern zur Seite – und vermittelt dabei auch ein Stück lebendige Tradition.
Denn der Weinbau in Hofheim war lange in Vergessenheit geraten. Bernhard Racky, einst Leiter der Zentralen Dienste der Stadt Hofheim, erinnert sich noch gut: Beim Hessentag 1988 sei die Frage aufgekommen, warum es eigentlich keinen Weinberg mehr in Hofheim gebe. Schließlich war der Kapellenberg in früheren Jahrhunderten ein bekanntes Anbaugebiet. Nach Gesprächen des damaligen Bürgermeisters Flaccus mit einem Hochheimer Winzer nahm die Idee Gestalt an. Irgendwann hieß es dann: „Kümmer dich mal drum – und das habe ich getan“, erzählt Racky.
Da eine bestimmte Anzahl von Rebstöcken genehmigungspflichtig ist, stimmte auch das Weinbauamt in Eltville zu – allerdings für Forschungs- und Demonstrationszwecke. Geforscht wurde zwar kaum, demonstriert dafür umso mehr: Gemeinsam mit Fachleuten wurde ein geeignetes Grundstück gesucht. Nachdem ein erster Standort sich als ungeeignet herausstellt hatte, fiel die Wahl auf den heutigen Diedenbergener Sonnenhang. Dort pflanzte man rund 405 Rebstöcke. Die erste Lese 1993 fiel den Staren zum Opfer – seither schützen Netze die Reben. Erst 1994 konnte der erste Wein gekeltert werden.
Anfangs stand die Menge im Vordergrund: Der junge Weinberg musste sich entwickeln, bevor die Qualität in den Fokus rückte. Heute liegt die Verantwortung für Ausbau und Pflege bei Jana Seidemann. Doch auch sie bleibt nicht von den Launen der Natur verschont. Der Sommer 2025 brachte Starkregen und Hagel – rund 30 Prozent der Ernte gingen verloren. Trotzdem stimmt sie zuversichtlich: Mit während der Lese gemessenen 94 °Oechsle, sei ein guter Jahrgang zu erwarten, auch wenn die Menge kleiner ausfallen wird.
Die Erträge am Sonnenhang schwanken von Jahr zu Jahr – ganz so, wie es die Witterung vorgibt. Mal reicht es für eine kräftige Auslese, mal nur für eine etwas kleinere Menge. 2022 ergab die Lese rund 580 Liter Most und füllte etwa 770 Flaschen. Ein Jahr später waren es rund 520 Liter, 2024 schließlich nur noch etwa 305 Liter, was rund 400 Flaschen ergab. Für dieses Jahr informierte uns die Firma Seidemann, das 480 Liter Most mit 97 Grad Oechsle gekeltert wurden. Das wird ein sehr guter Wein!
Doch im Gegensatz zu vielen anderen Weinbergen steht hier nicht der Verkauf im Vordergrund. Der Diedenbergener Wein wird nicht vermarktet, sondern ausschließlich für den Eigenbedarf der Stadt Hofheim am Taunus genutzt – als Geschenk für Jubilare, Ehrenamtliche, Kirchengemeinden oder für offizielle Anlässe.
Ein besonderer Blickfang ist jedes Jahr das Etikett: In einem Wettbewerb gestalten regionale Künstlerinnen und Künstler das Motiv für die aktuelle Abfüllung. So wird jede Flasche auch zu einem kleinen Stück lokaler Kulturgeschichte.
Am Ende aber ist die Lese in Diedenbergen weit mehr als die Ernte von Trauben. Sie ist ein gesellschaftliches Ereignis, das Menschen zusammenbringt, eine alte Tradition lebendig hält und die Identität des Stadtteils stärkt.
Text und Fotos: Raimund Rupp








