Bürgerbeteiligung ist kein Luxus – sie ist die Abkürzung zu besseren Entscheidungen

Wie viel Mitspracherecht haben die  Hofheimer bei der Zukunft ihrer Stadt? Und: Wie könnte Bürgerbeteiligung in Hofheim wirklich funktionieren?

Diesen Fragen geht die nächste Ausgabe der Reihe „Kino & Talk“ der Hofheimer Lokalen Agenda (HLA) nach: Am Mittwoch, 12. November, diskutieren auf dem Podium Bürgermeister Wilhelm Schultze, der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Armin Thaler und Dr. Anne Pollok-Müller, Co-Sprecherin der Interessengemeinschaft Eli 3. Die öffentliche Podiumsdiskussion beginnt um 19:30 Uhr in der Stadthalle.

Vorab geben Anne Pollok-Müller und Michael Oestreicher in einem Autorenbeitrag für Hofheim-News Einblicke, warum mehr Bürgerbeteiligung Hofheim nachhaltig stärken kann.

Bürgerbeteiligung

Ein Gastbeitrag von
Dr. Anne Pollok-Müller und Michael Oestreicher

Hofheim steht an einem Punkt, an dem sich entscheidet, wie ernst es die Stadt künftig mit Bürgerbeteiligung meint. Es geht dabei nicht um Symbolpolitik, sondern um einen Kulturwandel. Denn Partizipation – oder, wenn man so will, echte Mitwirkung – ist kein lästiger Umweg, sondern die Abkürzung zu besseren Entscheidungen.

In manchen Kommunen wird Bürgerbeteiligung noch immer als etwas betrachtet, das Projekte verzögert, Kompromisse erschwert und Verwaltung wie Politik zusätzliche Arbeit beschert. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wenn Beteiligung gut gestaltet und moderiert ist, spart sie Zeit, verhindert Missverständnisse und schafft Vertrauen. Entscheidungen, die gemeinsam vorbereitet wurden, werden nicht nur breiter getragen, sondern lassen sich auch schneller und konfliktärmer umsetzen. Wer frühzeitig mit den Menschen redet, erspart sich später den Widerstand.

Politik, Verwaltung und Bürgerschaft bilden ein magisches Dreieck, in dem jede Seite Verantwortung trägt. Die Politik formuliert die Richtlinien und entscheidet – das bleibt unbestritten. Die Verwaltung organisiert und setzt um. Und die Bürgerinnen und Bürger bringen ihre Erfahrung, ihre Ideen und ihre Lebenswirklichkeit ein. Wenn alle drei Seiten zusammenarbeiten, entsteht Qualität: aus Vielfalt, Wissen und gegenseitigem Vertrauen.

Eine Kultur, die den Dialog nicht nur zulässt, sondern fördert

Das Ziel ist klar: Hofheim braucht einen verbindlichen Standard für Beteiligung – eine Kultur, die den Dialog nicht nur zulässt, sondern fördert. Dazu gehört Transparenz von Anfang an. Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, welche Projekte geplant sind, welche Ziele verfolgt werden und an welchen Stellen ihre Meinung gefragt ist. Eine öffentlich zugängliche Vorhabenliste kann hier ebenso helfen wie leicht verständliche Informationen und die Möglichkeit, online oder vor Ort Stellung zu nehmen.

Beteiligung ist keine Einbahnstraße. Sie lebt davon, dass Menschen mitreden dürfen – aber auch davon, dass Politik und Verwaltung zurückmelden, was mit den eingebrachten Ideen geschieht. Wer sich beteiligt, hat ein Recht darauf zu erfahren, ob seine Anregung aufgenommen, verändert oder verworfen wurde – und warum. Nur so entsteht Vertrauen in die Ernsthaftigkeit des Prozesses.

Zum Vergrößern anklicken: Das Plakat zur Podiumsveranstaltung.
Zum Vergrößern anklicken: Das Plakat zur Podiumsveranstaltung.

Oft hören wir, es gebe doch schon genug Beiräte, so beispielsweise Ortsbeiräte. Das stimmt, und ihre Arbeit ist wertvoll. Aber diese Gremien folgen in ihrer Zusammensetzung meist dem parteipolitischen Proporz. Sie spiegeln damit die politische Struktur der Stadtverordnetenversammlung, nicht notwendigerweise die Vielfalt der Stadtgesellschaft wider.

Bürgerbeteiligung im eigentlichen Sinn geht weiter: Sie richtet sich an alle, die von einer Entscheidung betroffen sind oder ein Interesse am Thema haben – unabhängig von Parteizugehörigkeit, Herkunft, Alter oder Bildung. Sie lebt von Offenheit, Freiwilligkeit und Vielfalt. Und sie sollte so barrierefrei wie möglich gestaltet werden: zugänglich für alle, mit klarer Sprache, verständlichen Formaten und unterschiedlichen Wegen der Beteiligung – vom Gespräch im Quartier bis zur digitalen Plattform.

Bürgerbeteiligung beugt Politikverdrossenheit vor

Wichtig ist auch, dass Beteiligung professionell begleitet wird. Gute Moderation ist das Rückgrat eines jeden Beteiligungsprozesses. Sie sorgt dafür, dass unterschiedliche Stimmen gehört werden, Diskussionen fair und respektvoll verlaufen und die Ergebnisse nachvollziehbar zusammengeführt werden. Ohne qualifizierte Moderation drohen Beteiligungsverfahren zu zerfasern oder von einzelnen Gruppen dominiert zu werden. Ein neutral geführter Dialog schafft Vertrauen und gewährleistet, dass am Ende nicht die lautesten, sondern die besten Argumente zählen.

Eine solche Form der Mitwirkung hat mehrere Vorteile, die weit über das einzelne Projekt hinausreichen. Bürgerbeteiligung beugt Politikverdrossenheit vor. Sie sorgt dafür, dass sich Menschen wieder ernst genommen fühlen – nicht nur als Wählerinnen und Wähler alle fünf Jahre, sondern als kontinuierlich eingebundene Mitgestalter. Wer erlebt, dass seine Stimme gehört und seine Argumente geprüft werden, verliert das Gefühl, „die da oben“ entschieden ohnehin allein. So wächst politische Zufriedenheit, Vertrauen in die Institutionen – und letztlich auch die Bereitschaft, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.

Ein Mittel, um die Demokratie lebendig zu halten

Ein häufiger Einwand lautet: Wenn Bürger stärker beteiligt werden, verliert die Politik an Einfluss. Doch das Gegenteil ist richtig. Beteiligung stärkt die Legitimation politischer Entscheidungen. Wer einen Prozess öffnet, zeigt Vertrauen – und wer Vertrauen gibt, bekommt es zurück. Stadtverordnete treffen ihre Entscheidungen weiterhin souverän, aber sie tun es auf einer breiteren Grundlage, gestützt durch Wissen, das aus der Bürgerschaft kommt.

Gerade deshalb sollten auch die Parteien neu denken. Wenn wir hören, „man habe weder Zeit noch Bedarf“, Bürgerinnen und Bürger zum Thema Beteiligung zu hören, ist das kurzsichtig. Denn wer die Menschen nur an die Urne bittet, aber dazwischen den Dialog scheut, schwächt langfristig das Vertrauen in die demokratische Kultur. Bürgerbeteiligung ersetzt keine Wahlen – sie ergänzt sie. Sie ist das Mittel, um Demokratie lebendig zu halten, Missverständnisse früh zu klären und Politik als das zu zeigen, was sie eigentlich sein sollte: gemeinsame Verantwortung.

Beteiligung muss dabei nicht immer groß oder spektakulär sein. Es kann ein moderierter Workshop sein, ein Stadtteilgespräch, ein Online-Forum oder eine Zukunftswerkstatt. Entscheidend ist, dass die Form zum Thema passt – und dass alle Beteiligten wissen, was mit ihren Beiträgen geschieht. Transparenz, Zugänglichkeit, Verbindlichkeit, Rückmeldung und Moderation sind die fünf Säulen, auf denen gute Beteiligung ruht.

Beteiligung als Gegengewicht zur Polarisierung

Das Beispiel der Elisabethenstraße 3 hat gezeigt, wie notwendig klare Regeln sind. Das damalige Bürgerforum war gut gemeint, wurde aber von vielen als unzureichend empfunden. Versprochene Rückkopplungen blieben aus, Erwartungen wurden enttäuscht. Daraus ist die IG Eli 3 entstanden – eine Interessengruppe engagierter Menschen, die sich für transparente, verbindliche und nachvollziehbare Beteiligungsprozesse einsetzt. Ihr Anliegen ist kein Sonderinteresse, sondern Ausdruck eines wachsenden Bedürfnisses in der Stadtgesellschaft: Menschen wollen mitreden, wenn es um ihr direktes Lebensumfeld geht.

Eine Stadt, die Beteiligung ernst nimmt, investiert nicht in Bürokratie, sondern in Zukunftsfähigkeit. Sie schafft Vertrauen, Innovationskraft und Zusammenhalt – Werte, die man nicht verordnen kann, sondern die nur wachsen, wenn man sie pflegt. Gerade in Zeiten, in denen die politische Polarisierung zunimmt und populistische Vereinfachungen lauter werden, ist Beteiligung ein wirksames Gegengewicht. Sie ermöglicht differenzierte Diskussionen, fördert gegenseitiges Verständnis und gibt den Menschen das Gefühl zurück, dass Politik etwas mit ihnen zu tun hat – und sie mit Politik.

Über neue Wege nachdenken

Wer über diese Fragen mitdiskutieren möchte, hat bei der nächsten Veranstaltung der Hofheimer Lokalen Agenda am Mittwoch, dem 12. November 2025, um 19:30 Uhr im Obergeschoss der Stadthalle Hofheim Gelegenheit dazu. Unter dem Titel „Kino & Talk“ wird zunächst ein Film gezeigt, der in das Thema Partizipation einführt. Anschließend diskutieren Bürgermeister Willi Schultze, der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Armin Thaler und Dr. Anne Pollok-Müller von der IG Eli 3 unter der Moderation von Dr. Jörg Boysen. Das Publikum ist ausdrücklich eingeladen, sich einzubringen.

Diese Veranstaltung ist eine gute Gelegenheit, über neue Wege nachzudenken – offen, kritisch und konstruktiv. Wenn Politik, Verwaltung und Bürgerschaft auf Augenhöhe zusammenkommen, entsteht etwas, das Hofheim wirklich voranbringt: gemeinsame Verantwortung für die Zukunft unserer Stadt.

Die Autoren

Dr. Anne Pollok-Müller und Michael Oestreicher wohnen und arbeiten mitten in der Hofheimer Altstadt. Sie engagieren sich vielfältig in ihrer Lebenswelt – beispielsweise in der Bürgervereinigung Hofheimer Altstadt und in der Interessengemeinschaft IG Eli 3.

Dr. Anne Pollok-Müller ist Ärztin, Michael Oestreicher Lektor für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Beide setzen sich für eine lebendige Stadtgesellschaft, zeitgemäße Mobilität und eine moderne, transparente Bürgerbeteiligung in Hofheim ein.

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